Wer baut schon gerne auf Sand? Wir alle! Denn Sand ist ein wesentlicher Bestandteil von Zement und Beton. Eine natürliche Ressource, die immer knapper wird. Und da Straßen und Häuser kaum ohne diese beiden Baumaterialien auskommen, müssen dringend Alternativen her. Vielleicht aus dem Wald?
In jedem Meter Straße stecken Tonnen von Sand und Kies. Sie geben Beton Stabilität und machen Autobahnen tragfähig. Doch Sand und Kies werden knapp. Außerdem setzt die Herstellung von Beton Unmengen von CO2 frei. Daher muss die Baubranche ihren Verbrauch an Sand und Beton besser heute als morgen reduzieren, um zukunftsfähig zu bleiben. „Abrissbeton“ muss verstärkt recycelt und es müssen neuartige Baustoffe entwickelt werden. Genau daran arbeiten zum Beispiel Professorin Vera Meyer und ihr Team im Forschungsprojekt „Mind the Fungi“ an der TU Berlin.
Pilzmyzel als Lösung?
Ziel des Projekts ist es, neue Ideen und Technologien für pilzbasierte Materialien der Zukunft zu entwickeln. Den Fokus skizziert die Forschungsleiterin wie folgt: „Pilztechnologie ist ein ziemlich großes Feld. Wir konzentrieren uns hier auf Baumpilze, die starke Materialien erzeugen können. In den Laboren der TU Berlin wird das Myzel gezüchtet und auf seine Materialeigenschaften untersucht. Dabei arbeiten Wissenschaftler mit Designern zusammen, um neue Verwendungsmöglichkeiten für dieses Material zu entwickeln.“ So sollen Pilze künftig nicht nur Styropor oder Leder ersetzen, sondern auch Rohstoff für die Herstellung von Bauziegeln sein. Denn Baumpilze sind nicht nur sehr hart und leicht, sondern auch recycelbar. Eigenschaften, die hinsichtlich des Klimawandels und möglicher Migrationsbewegungen durchaus wertvoll sind.
Doch wie wird aus einem Pilz ein Baustoff?
Der Lebenszyklus eines Pilzes beginnt mit einer Spore, aus der sich schnell verzweigende Zellfäden bilden. In Berlin werden diese Sporen auf Abfällen aus der Agrar- und Forstwirtschaft kultiviert. Dabei wachsen die Zellfäden nicht nur in ihr Substrat hinein, sondern auch um die nährenden Pflanzenstängel herum und verbinden sie wie ein Klebstoff. Das Ergebnis ist ein stabiles und dennoch leichtes und flexibles Verbundmaterial, was Wärme und Schall hervorragend dämmt. So nutzen die Forscher unter anderem halbierte, hohle Ziegel, um darin Pilze zu kultivieren, die dann auch mit der äußeren Form verwachsen und die beiden Hälften fest miteinander verbinden. Solche Pilzziegel entstehen in einem Brutraum. Von der ersten Pilzkultur bis zum fertigen Baustoff dauert es ungefähr 28 Tage. Ein Prozess, der industrialisiert noch deutlich schneller ablaufen kann.
Bauen mit Pilzen – schon im nächsten Jahr?
Um Schimmelbildung zu vermeiden, arbeiten die Forscher steril und erwärmen das Substrat auf bis zu 120 °C. Zum Vergleich: Beton wird in der Herstellung auf 1.400 °C erhitzt. Entsprechend geringer ist der CO2-Fußabdruck des Pilzziegels. Die am Projekt beteiligten Architekten gehen davon aus, dass bereits in den nächsten Jahren mit Pilzen gebaut werden wird. An Wänden angebrachte Akustikpaneele zur Schalldämmung sind ebenso denkbar wie Dämmstoffe für Fachwerkbauten. In der Zwischenzeit wird in Berlin weiter geforscht – vor allem daran, wie die Verbundmaterialien gegenüber Feuchtigkeit unempfindlich werden.
Auch Wissenschaftler am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und an der ETH Zürich erforschen den Einsatz von Pilzmyzelium in der Architektur. Aus dem Wurzelwerk von Pilzen wachsen Bausteine, die sich zu selbst tragenden Strukturen aufeinanderschichten lassen. Dadurch könnten diese wieder verwertbaren Baustoffe künftig konventionelle Materialien wie Stahl und Beton ersetzen. Lesen Sie hier mehr.