Cecil Konijnendijk ist ein auf den Fachbereich „Urban Forestry" spezialisierter Wissenschaftler und in mehr als 30 Ländern für seine Expertise bekannt. Er weiß, was zum Schutz städtischer Wälder noch getan werden muss und zeigt Positivbeispiele auf. Im Gespräch mit dem Bundesforschungszentrum für Wald (BFW) berichtet er aus 25 Jahren Berufserfahrung.
Urbane und klassische Forstwirtschaft im Vergleich
Die USA und Kanada haben eine lange Geschichte im Bereich Urban Forestry, länger als in Europa, wo in diesem Kontext der Begriff Stadtwald kursiert. Könnten Sie die Unterschiede mit ein paar Stichworten erklären?
„Wenn wir in Europa von städtischer Forstwirtschaft sprechen, dann denken die Leute immer noch an Wälder. In Nordamerika begann es mit Straßenbäumen, man nannte sie auch Schattenbäume. Das ist ein anderer Ansatzpunkt. Jetzt verschmelzen diese beiden Traditionen, und wenn wir von Urban Forestry[, also städtischer Forstwirtschaft] sprechen, meinen wir alle Bäume in städtischen Gebieten, einschließlich des Wienerwaldes zum Beispiel. Es geht also im Grunde um das gesamte Waldsystem einer Stadt. Sie kamen aus unterschiedlichen Bereichen, heute sind wir uns aber bereits näher gekommen.“
Konijnendijk ist selbst ausgebildeter Förster. Erst über die Zeit aber habe sich die städtische Forstwirtschaft als solche ihre Anerkennung erkämpft. Noch heute könne sich die städtische Forstwirtschaft Arbeitsweisen von der klassischen Forstwirtschaft, wie die Nachhaltigkeitsperspektive, abschauen, so Konijnendijk. Dazu zählt etwa das langfristige Denken in Zeiträumen von über 100 Jahren. Die klassische Forstwirtschaft könne wiederum von der städtischen Forstwirtschaft lernen, dass städtische Normen und Werte wichtig sind. Es gebe immer mehr Anforderungen an die Freizeitgestaltung und an die Klimaanpassung. Außerdem ist es den Städten bereits wärmer, weiß Konijnendijk. Viele Probleme im Zusammenhang mit dem Klimawandel und den Auswirkungen auf die Bäume treten in der Stadt schon früher auf. Städte seien daher eine Art Testfeld für den Wald im Allgemeinen.
Herausforderungen für städtische Wälder
Sie haben die 3-30-300-Regel entwickelt. Was bedeutet sie und welches sind die drei Haupthindernisse bei der Umsetzung dieser Regel?
„Auf Grün zu blicken, in Grün zu leben und Grün zu nutzen, das ist der Grundgedanke. Er basiert auf Forschungsergebnissen. Wir wissen also, dass hinsichtlich der Gesundheitsförderung insbesondere die Regeln „30 % Baumbestand in jedem Viertel“ und „300 Meter bis zur nächsten Grünfläche“ durch Forschungsergebnisse unterstützt werden. Wir wissen, dass der Gesundheitszustand der Bevölkerung besser und die Klimaanpassung erfolgreicher wäre. Ich habe sie auch eingeführt, um die disziplinären Barrieren zu durchbrechen und Wissenschaft, Politik, Praxis und die Öffentlichkeit miteinander zu verbinden. Es macht Menschen aus Politik, Planung, Architektur, Ingenieurwesen, aber auch Gemeinden, Bürgern und Bürgerinnen die Bedeutung von Bäumen und Grünflächen in der Stadt deutlich.“
Hindernisse für diese räumliche Ausgestaltung seien der geringe Platz für Bäume, verlegte Kabel, Abwassersysteme und Infrastrukturen im Boden und an der Oberfläche. Außerdem sterben Stadtbäume oft in einem sehr jungen Alter, so Konijnendijk. Er beschreibt, dass einige der bekannten Ökosystemleistungen von Bäumen erst in höheren Altersstadien zum Tragen kommen. Um Bäume in der Stadt zu schützen und diese Leistungen in Anspruch nehmen zu können, müsse die Politik Bäume und ihren Wert für Städte priorisieren, genauso wie Bauvorhaben und die wirtschaftliche Entwicklung. „Wir brauchen Bäume. Sie sind genauso wichtig wie Wohnungen, Straßen oder Geschäfte“, sagt Konijnendijk. Er betont zudem, dass die Bereitschaft, städtisches Grün zu priorisieren, vom Wohlstand eines Landes bzw. der jeweiligen Stadt abhängt. Singapur sei eine Stadt, die die Begrünung der Städte bereits in jeden politischen Bereich integriert habe. Auch Berlin sei ein Positivbeispiel für den Erhalt von städtischem Grün.
Welche Baumarten sind dem Klimawandel in der Stadt gewachsen?
In Wien haben wir eine Art Superpflanze in der städtischen Forstwirtschaft: der Europäische Zürgelbaum (Celtis australis). Acer platanoides (Spitzahorn) ist zurzeit die häufigste Baumart. Haben Sie eine Art Superpflanze, mit der Sie viel arbeiten?

„Der Zürgelbaum ist auch in Barcelona sehr beliebt. Er hat einen großen Anteil an den Straßenbäumen, daher kenne ich ihn gut. Was eine Art zu einer Superpflanze macht, hängt davon ab, wo man sich befindet. Die Londoner Platane (Platanus hispanica) ist immer noch sehr beliebt. Viele Städte verwenden sie. Sie ist sehr resistent gegen Umweltverschmutzung. Auch der Ginkgobaum ist sehr beliebt, weil er sehr widerstandsfähig ist und schöne Farben hat. [...] Acer platanoides ist ein Baum, den man überall sehen kann, der aber manchmal ein bisschen zu aggressiv ist.“
Wie steht es um die biologische Vielfalt in den Städten und wie hängt sie mit der städtischen Forstwirtschaft zusammen?
„Das ist wirklich wichtig. Generell gilt: Je größer die biologische Vielfalt, desto widerstandsfähiger ist der Wald, desto resistenter ist er gegen Schädlinge und Krankheiten. Es gibt einen Leitfaden, der vor einigen Jahrzehnten in den Vereinigten Staaten von Dr. Frank Santamour entwickelt wurde und der lautet: 10-20-30. Es sollten nicht mehr als 10 % der gleichen Art, nicht mehr als 20 % der gleichen Gattung und nicht mehr als 30 % der gleichen Baumfamilie angehören. In diesem Sinne wird die Artenvielfalt gefördert. Ich persönlich mag die Artenvielfalt in ein- und derselben Straße.“
Wie haben Sie erkannt, dass die Natur für uns wichtig ist, und was ist Ihre Lieblingsbaumart?
„Ich komme aus einem kleinen Dorf im Südwesten der Niederlande, in der Nähe von Rotterdam. Ich bin auf dem Land aufgewachsen, in einer offenen Gegend mit nicht allzu vielen Bäumen. Aber meine Eltern nahmen mich und meine Brüder sonntags mit in die Wälder an der Küste. In den Ferien fuhren wir oft in die Wälder im Zentrum der Niederlande, nach Deutschland oder Belgien. Dadurch wurde das Interesse geweckt und vielleicht auch das Verständnis für die Notwendigkeit der Natur in unserem Leben. Meine Brüder machen jetzt mit ihren Familien das Gleiche. Es ist eine Art Familientradition. Was meine Lieblingslandschaft angeht – ich mag den Wald, sowohl geschlossene als auch offene Wälder, aber ich mag auch das offene Land mit dem weiten Himmel und das Meer, weil ich in dessen Nähe aufgewachsen bin. Meine persönlichen Lieblingsbaumarten sind die Eiche wegen ihrer Größe und ihrer langen Lebensdauer sowie der Ginkgo (männlich), der wegen seiner Widerstandsfähigkeit ein wirklich guter Stadtbaum ist.“
Das vollständige Interview lesen Sie auf der Webseite des BFW. Dabei geht Konijnendijk auch auf die Frage ein, warum es mehr weibliche Sichtweisen auf die Stadtplanung braucht.