Baden-Württemberg will den Ausbau der Windkraft mit einer „Vermarktungsoffensive“ vorantreiben. Flächen für den Windkraftausbau sollen im Staatswald identifiziert und bereitgestellt werden.
Das Kabinett des Landes Baden-Württemberg hat dem Vorschlag von Forstminister Peter Hauk für eine Vermarktungsoffensive der Anstalt des öffentlichen Rechts ForstBW, die den Staatswald in Baden-Württemberg bewirtschaftet, zur Verpachtung von landeseigenen Flächen im Wald zugestimmt. Damit nimmt das Land als größter Waldbesitzer in Baden-Württemberg seine Vorbildfunktion wahr und geht mit Entschiedenheit die erforderlichen Schritte zu einer Beschleunigung des Windenergieausbaus im Staatswald, heißt es in einer Pressemeldung des Staatsminsteriums vom 28. Juli. Auf Bitte von Ministerpräsident Kretschmann hat Minister Hauk zugesagt, bis spätestens Ende des Jahres eine Zusammenstellung von allen Staatswaldflächen vorzulegen, die für eine Windkraftnutzung geeignet sind. „Der Ausbau der Windenergie ist ein entscheidender Baustein auf dem Weg hin zu einem klimaneutralen Baden-Württemberg“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann. „Mit unserer im Koalitionsvertrag vereinbarten Vergabeoffensive für die Vermarktung von Staatswald- und Landesflächen für die Windkraftnutzung sollen von ForstBW Flächen im Staatswald für den Windkraftausbau identifiziert sowie zeitnah und umfangreich bereitgestellt werden. Hier liegt noch viel unausgeschöpftes Potential, das wir beherzt nutzen wollen.“
Beschleunigung des Windenergieausbaus im Staatswald
„Zur Erreichung der ambitionierten Ausbauziele müssen auch neue Windkraftstandorte im Wald einen Beitrag leisten. Im Rahmen der Vermarktungsoffensive wird ForstBW neue, für eine Windenergienutzung geeignete Flächen identifizieren, interessierten Projektierern anbieten und nach einem eigens ausgearbeiteten Bewertungssystem verpachten. Das Verfahren für die Verpachtung von Staatswaldflächen muss situationsangepasst und schlank sein“, erklärte Hauk. Das Land Baden-Württemberg selber sei mit einer Staatswaldfläche von etwa 320.000 ha der größte Waldbesitzer im Land. Insgesamt gebe es rund 1,4 Mio. ha Wald im Südwesten. Wo Waldflächen für die Errichtung von Windkraftanlagen in Anspruch genommen werden, sei dies durch entsprechende Maßnahmen auszugleichen. Pro Windrad seien es im Durchschnitt dauerhaft knapp 0,5 ha Wald, die es zu kompensieren gelte. Hinzu kämen Flächen, die temporär für die Baumaßnahmen in Anspruch genommen werden müssten. Insgesamt hielten sich die Belastungen für den Wald in absolut vertretbaren Grenzen.
Zügige Genehmigungsverfahren ermöglichen
„Die Bereitstellung geeigneter Flächen ist die wichtigste Voraussetzung für den Bau der Windkraftanlagen. Es kommt aber auch auf zügige Genehmigungsverfahren an. Innerhalb der Landesregierung besteht Einigkeit, das wir weitere rechtssichere Vereinfachungen und Beschleunigungen für Genehmigungsverfahren für Windkraftanlagen in allen windkraftrelevanten Rechtsbereichen brauchen. Dies betrifft auch den Bereich des Artenschutzes“, erklärte Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Die Genehmigungsverfahren für die Windkraft seien generell zu langwierig und zu aufwändig. Das müsse sich ändern. „Unsere Vermarktungsoffensive ist ein erster wichtiger Schritt zu einer Belebung des Windkraftausbaus in Baden-Württemberg. Auf unseren Staatswaldflächen wollen wir Vorbild sein und so viele Standorte wie möglich in die Vermarktung bringen. Die Identifikation und Bereitstellung von Flächen durch die Planungsträger muss allerdings auch außerhalb des Staatswaldes vorangetrieben werden“, so Minister Hauk. Mit dem Staatswald alleine und nur mit der Windkraft lasse sich die Energiewende nicht stemmen.
Koalitionsvertrag
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Baden-Württemberg und CDU Baden-Württemberg haben in ihrem Koalitionsvertrag 2021 bis 2026 u. a. ein Sofortprogramm für Klimaschutz und Energiewende beschlossen. Darunter findet sich auch eine Vergabeoffensive für die Vermarktung von Staatswald- und Landesflächen für die Windkraftnutzung, womit die Voraussetzungen für den Bau von bis zu 1.000 neuen Windkraftanlagen geschaffen wurden. Der Südwestrundfunk (SWR) meldete am 27. Juli, dass mindestens die Hälfte der Flächen für die geplanten 1.000 neuen Windräder im Staatswald bereitgestellt werden, um in den kommenden Jahren das im Koalitionsvertrag von Grünen und CDU festgeschriebene Ausbauziel bei der Windenergie zu erreichen. Laut Kabinettsvorlage soll die Landesforstverwaltung mögliche Standorte suchen und zudem im Nord- und Südschwarzwald prüfen, wie die Nutzung von Windkraft in Auerwildgebieten möglich ist. Um Zeit zu gewinnen, soll das Verpachtungsverfahren auf geeigneten Flächen einfacher und schneller erfolgen. Bei möglichen Windkraft-Standorten mit unterschiedlichen Waldbesitzern strebt die Forst BW eine Pool-Lösung an. Für den Bau von neuen Windrädern soll es zudem Ausgleichs-Flächen im Staatswald geben, so der SWR in seiner Meldung.
NABU: Windenergie und Artenschutz nicht gegeneinander ausspielen
„Es ist richtig, dass der Ausbau der Windenergie in Baden-Württemberg vorangebracht werden muss. Auch Flächen im Staatswald kommen dabei in die nähere Betrachtung. Wer aber glaubt, dass Windräder im Wald jetzt im Schnellverfahren durchgepeitscht werden können, nur weil das Land beim Ausbau der Windenergie hinterherhinkt, der irrt. Windenergie und Artenschutz dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden, denn Klimakrise und Artenkrise sind zwei Seiten der gleichen Medaille“, sagt der NABU-Landesvorsitzende Johannes Enssle. Der NABU fordert daher einen Masterplan, der die Flächen mit dem geringsten Konfliktpotenzial für den Artenschutz im Staatswald identifiziert. Auf diesen Flächen sollten Windprojekte vorrangig realisiert werden. Gleichzeitig braucht es Artenhilfsprogramme, um die Populationen windenergiesensibler Vogel- und Fledermausarten wirksam zu stützen. Beides zusammen ist notwendig und nicht zum Nulltarif zu haben. Auch die Windbranche könnte sich an solchen Programmen finanziell beteiligen.
Gleichzeitig fehlten im Land Maßnahmen, um den Energieverbrauch insgesamt zu senken: „Den heutigen, viel zu hohen fossilen Energiebedarf einfach 1:1 durch Wind und Sonne zu ersetzen, wird nicht funktionieren. Wir müssen insgesamt sparsamer mit Energie umgehen. Die Landesregierung sollte eine Suffizienz-Strategie und konkrete Maßnahmen vorlegen, um beispielsweise den Flächenverbrauch einzudämmen. Wir brauchen zudem Anreize, um es den Menschen im Land einfacher zu machen, nachhaltig zu leben sowie klima- und naturschädliche Konsummuster zu durchbrechen.“
Windkraft kann dem Wald helfen – wenn sie richtig eingesetzt wird
Der Landeswaldverband Baden-Württemberg e.V. (LWV) befürwortet den Ausbau erneuerbarer Energien, darunter auch Windkraft im Wald. Die Vermarktungsoffensive für Flächen zur Windkraftnutzung im Staatswald bildet jedoch erst den Auftakt einer länger dauernden Ausbaukampagne in baden-württembergischen Wäldern, die breiter angelegt sein muss. Die Vermarktungsoffensive folgt der Logik des Koalitionsvertrages, dass die Hälfte des Ausbauziels von 1.000 Windkraftanlagen auf landeseigenen Flächen vollzogen werden soll – de facto im Staatswald. Der LWV fordert dagegen: Die Betrachtung geeigneter Standorte muss von Anfang an unabhängig von Flächenbesitz und Nutzungsform erfolgen. Eine alleinige Planungsoffensive im Staatswald greift zu kurz.
Der Ausbau von Windkraft muss aus einer konsequenten Klimapolitik folgen, die auf Energieeinsparung, Emissionsverringerung und die Erforschung von Möglichkeiten zur Speicherung von Energie abzielt! Diese Klimapolitik ist der Schlüssel zur Bewahrung des Waldes, denn auf Dauer hilft dem Wald in erster Linie eine Reduktion der Emission von Treibhausgasen. Daher fordert der LWV, dass das Land künftig seinen Energie- und Stromverbrauch erheblich senken und deutlich größere Anstrengungen zur Erzeugung und Speicherung von erneuerbarer Energie unternehmen muss. Zudem fordert der LWV, dass neben dem Bau neuer Anlagen auch bestehende leistungsschwache Anlagen ersetzt werden. Zudem dürfe der Lebensraum Wald mit all seinen Funktionen durch den Ausbau von Windkraftanlagen nicht wesentlich beeinträchtigt werden.