In Dresden häufen sich Meldungen über Nadelbäume, deren Nadeln teilweise oder vollständig gelbbraun verfärbt sind. Die Beobachtungen stammen aus dem gesamten Gebiet der sächsischen Landeshauptstadt. Verantwortlich dafür ist ein Massenauftreten der Sitkafichten- oder Fichtenröhrenlaus.
Die Fichtenröhrenlaus (Elatobium abietinum, syn. Liosomaphis abietina) ist ein reiner Fichtenschädling. Bevorzugt werden Blaufichten, Sitkafichten (daher auch der Name Sitkafichtenlaus) und Zuckerhutfichten, seltener auch Omorikafichten. Unsere typische Waldfichte, die Gemeine Fichte, ist weniger anfällig für den Parasiten. Da die bevorzugten Wirtsbäume der Fichtenröhrenlaus vor allem in den Städten vorkommen, ist auch der Schädling hier häufig anzutreffen.
Massenauftreten der Fichtenröhrenlaus – wie kommt es dazu?
Laut Angaben des Umweltamts der Stadt Dresden gab es in den 1990er-Jahren bereits einen ähnlich starken Befall mit Fichtenröhrenläusen in der Stadt. Zuletzt trat ein solches Phänomen demnach 2015 auf. Begünstigt werde das Massenauftreten durch Witterungsbedingungen mit milden Wintern und Temperaturen über -14 °C, dazu anhaltend trockene Frühjahrswochen und das möglichst über mehrere Jahre hinweg. Diese Witterung begünstige die Entwicklung der Läuse. Bäume, die an trockenen Standorten wie auf Sandböden und in schlecht durchlüfteten oder überwärmten Bereichen stehen (was im urbanen Raum häufig der Fall ist), werden laut Dresdner Umweltamt bevorzugt befallen. Vorgeschädigte Bäume seien ebenfalls häufiger betroffen.
Wie lässt sich die Fichtenröhrenlaus bekämpfen?
Zu den natürlichen Feinden der Fichtenröhrenlaus gehören Marienkäfer, Florfliegen, Schwebfliegen und andere Wirbellose sowie einige Vogelarten. Allerdings können diese ein Massenauftreten der Läuse nur wenig beeinflussen. Eine Möglichkeit besteht im Einsatz von zugelassenen Pflanzenschutzmitteln. Die Spritzungen sollten ab März erfolgen, was jedoch nur an Jungbäumen praktikabel sei, so die Aussage aus dem Dresdner Umweltamt. Zum Schutz anderer Insektenarten sollte jedoch nur sehr begrenzt und ausschließlich in den späten Abend- oder frühen Morgenstunden gespritzt werden. Der aktuelle Baumwuchs werde sich in der Regel erst einmal weitgehend normal entwickeln können, sind sich die Fachleute einig. Problematisch werde die Situation erst, wenn der Befall nach dessen Ausreifen im Sommer auftrete. In diesem Fall wäre ein Absterben des Baums die Folge.
Mit dem Neuaustrieb in den kommenden Jahren und nach mindestens vier Jahren ohne Befall können sich die betroffenen Bäume teilweise wieder erholen und eine geschlossene Krone bilden. Wer also den Versuch unternehmen möchte, befallene Bäume zu retten, sollte das Gehölz durch häufiges Wässern bei trockener Witterung, wiederholtes Abspritzen und eine auf die Baumgröße abgestimmten Düngung (z. B. mit Bittersalz) unterstützen und keinesfalls bereits jetzt die scheinbar toten Äste abschneiden, so der Rat der Dresdner Behörde an die Bevölkerung.
Müssen die befallenen Bäume gefällt werden?
„Die unmittelbaren Auswirkungen an den betroffenen Nadelgehölzen sind erst einmal nur optischer Natur. Die Stand- und Bruchsicherheit dieser Bäume ist zunächst nicht gefährdet“, erklärt Birk Albert, Sachgebietsleiter Gehölzschutz im Umweltamt. Er ergänzt: „Befallene Bäume stellen keine Gefahr für den Menschen, für Sachwerte oder für andere Baumarten mit Ausnahme der benannten Fichtenarten dar. Somit besteht erst einmal kein Grund zur Fällung.“ Außerdem gelte aktuell das jährliche allgemeine Fällverbot vom 1. März bis 30. September nach §39 Bundesnaturschutzgesetz (BNatschG)1.
Wie geht es mit der Fichtenröhrenlaus weiter?
Mit dem Vorkommen und den immer wieder auftretenden Massenvermehrungen der Fichtenröhrenlaus sei laut dem Umweltamt Dresden auch in Zukunft zu rechnen. Die Laus stamme aus Nordamerika und habe sich in Europa inzwischen etabliert. Weitere Schadinsekten wie Borkenkäferarten würden den geschwächten Bäumen weiter zusetzen. Da Fichten als flachwurzelnde Gehölze höhere Gebirgslagen und luftfeuchte Standorte mit guter Wasserversorgung bevorzugen, seien sie außerdem anfällig gegen Trockenstress und würden sich entsprechend nur schlecht an klimatische Veränderungen wie aktuell durch den Klimawandel anpassen. In Zukunft stünden daher nach Einschätzungen der Mitarbeitenden des Dresdner Umweltamts andere Arten mit größerer Toleranz gegenüber Wetterextremen wie Hitze und Trockenheit und urbanen Gegebenheiten (z. B. Versieglung) im Fokus.
Auf Nachfrage der Redaktion bestätigte Prof. Dr. Andreas Roloff, Leiter des Instituts für Forstbotanik und Forstzoologie sowie des Forstbotanischen Gartens an der Technischen Universität (TU) Dresden, die Aussagen des Dresdner Umweltamts. Seine Einschätzung: „Dieser Lausbefall wird in Zukunft wohl etwa alle fünf Jahre auftreten. Die derzeitige Situation der Blaufichte ist tatsächlich tragisch, denn sie wurde und wird ja meistens aus ästhetischen Gründen gepflanzt – wegen ihrer schönen blauen Kronen – und der jetzige Anblick ist eher genau das Gegenteil, vergleichbar mit dem Miniermottenbefall bei der Rosskastanie.“ Sein Tipp: „Wer das in Zukunft ändern möchte, kann auf Tannen umsteigen, z. B. im nächsten Advent eine Nordmannstanne in seinen Garten pflanzen und mit Lichterkette schmücken, die Tanne dann einfach wachsen lassen. Besonders schick ist die Coloradotanne, auch sehr schön blau mit ganz langen Nadeln. Tannen sind insgesamt robuster, allerdings auch etwas teurer als Fichten.“
Die Strategie der Stadt Dresden erläutert Birk Albert wie folgt: „Unser Ziel ist es, künftig einen breit gefächerten Mix von an den jeweiligen Standort angepassten Arten im Stadtgebiet zu etablieren. Hierbei sollen sowohl einheimische als auch fremdländische Gehölzarten vertreten sein. Es werden ergänzend zu den einheimischen Arten vor allem nordamerikanische Gehölze und solche aus dem mittel- und ostasiatischen sowie südeuropäischen Raum hinzukommen. Durch einen guten Mix mit einheimischen Arten können wir allen im Stadtgebiet vorkommenden Tierarten einen Lebensraum bieten.“
1Bezogen auf BNatSchG, §39, Abs. 5, S. 1, Nr. 2″: „Es ist verboten (…) Bäume, die außerhalb des Waldes, von Kurzumtriebsplantagen oder gärtnerisch genutzten Grundflächen stehen, Hecken, lebende Zäune, Gebüsche und andere Gehölze in der Zeit vom 1. März bis zum 30. September abzuschneiden, auf den Stock zu setzen oder zu beseitigen; zulässig sind schonende Form- und Pflegeschnitte zur Beseitigung des Zuwachses der Pflanzen oder zur Gesunderhaltung von Bäumen.“
Weitere Infos zur Fichtenröhrenlaus finden Sie z. B. auf der Webseite der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL).