Ist die manuelle Vermessung von Rundholz im Wald bald Vergangenheit? In Neuseeland hat die Firma Robotics Plus ein Verfahren entwickelt, das Kluppe und Maßband beim Export von Rundholz überflüssig macht. Dafür nutzt sie eine vollautomatische foto- und laseroptische Rundholzmessanlage, die Robotic Scaling Machine (RSM).
Neuseeland exportiert etwa 20 Mio. m³ Rundholz pro Jahr, zu einem großen Teil nach China. Im Gegensatz zu den europäischen Vermessungsgepflogenheiten wird das Holz nach JAS verkauft. JAS ist ein japanischer Standard zur Rundholzvermessung und Volumenberechnung. Das Stammvolumen in JAS m³ berechnet sich aus der Stammlänge und dem Zopfdurchmesser.
Bei der Holzernte werden die Stämme in Verkaufslängen eingeschnitten und danach auf Lkw verladen. Je Lkw werden zwei oder drei Rundholzpakete gebildet, deren Stirnflächen genügend Freiraum bieten, um die Stämme nach der Verladung zu nummerieren und zu vermessen. Dafür gibt es in den Seehäfen eigene Logistikunternehmen, wie zum Beispiel ISO Limited. Sie übernehmen die Lieferkette von der Vermessung bis zur Verladung auf das Schiff.
Bisher werden die Stämme aus den Lkw manuell vermessen. Am sogenannten Checkpoint werden vor den Holzpaketen Arbeitsplattformen heruntergeklappt. So werden die Stirnflächen der Stämme zugänglich. Die Holzvermesser (log scaler) erheben die Stammlänge und den Zopfdurchmesser. Außerdem tackern sie ein QR-Code-Ticket an das dünne Stammende. Die Messdaten werden in ein mobiles Holzerfassungsgerät eingegeben und stehen für den Holzverkauf zur Verfügung. Pro Lkw-Ladung von durchschnittlich 30 m³ benötigt ein Holzvermesser etwa 40 min. Zugleich ist diese Person vielen Gefährdungen ausgesetzt, da die oberen Stämme nur schwer erreichbar sind und teils nur durch unsicheres Stehen auf kleinen Teilen des Lkw (z.B. Deichsel) vermessen werden können.
Robotic Scaling Machine
Um diese Gefährdungen zu reduzieren sowie die Vermessungsleistung und -genauigkeit zu steigern, wurde die Robotic Scaling Machine RSM entwickelt (www. roboticsplus.co.nz). Eine Kollaboration aus Robotics Plus und ISO Limited machte es möglich den Prototyp der RSM innerhalb von zwölf Monaten fertigzustellen und im Juni 2019 in Betrieb zu nehmen. Studenten der Waikato Universität in Hamilton NZ haben zu dem Projekt beigetragen.
Hier bringt das Personal am Checkpoint nur die QR-Codes an. Anstelle des Log-scalers übernimmt die RSM den Prozess der Rundholzmessung vollautomatisch. Dazu arbeitet die Anlage zugleich mit Lasern und Kameras. Ein Laserscanner erfasst das Profil des gesamten Lkw und ermittelt die Positionen der Rundholzpakete. Dabei werden schon die Stammlängen berechnet. Anhand der Scannerdaten wird die Position der Stammenden bestimmt, um das Kamerasystem zwischen den Rundholzpaketen positionieren zu können. Im nächsten Schritt fährt das Kamerasystem die Stirnflächen der Stapel ab und fotografiert alle Stammenden dick- und dünnörtig. Aus den Daten des Lasers und des Kamerasystems berechnet der Computer ein 3D-Bild des beladenen Lkw, mit dem die ermittelten Daten bildhaft auf Plausibilität geprüft werden können.
Das Bildverarbeitungssystem erkennt den befestigten QR-Code und berechnet den zugehörigen Durchmesser des Stammquerschnitts. Das errechnete Stammvolumen wird mit der ID des QR-Codes in einer Datenbank gespeichert. Somit stehen alle benötigten Daten für den weiteren Verkaufsprozess in digitaler Form zur Verfügung.
Bildverarbeitungssystem
Eine wesentliche Komponente der RSM ist das Bildverarbeitungssystem. Dieses besteht aus acht Stereokamerapaaren, die horizontal aufgereiht sind. Jede Kamera hat eine Auflösung von fünf Megapixel. Für die Distanz- und Größenmessungen eines Stammquerschnitts müssen zwei Bilder aufgenommen werden; deswegen der Einsatz von Stereokameras. Es werden viele überlappende Bilder aufgenommen. Andernfalls würden eine uneinheitliche Lagerung der Stämme, Hohlräume, unförmige Stammquerschnitte u. ä. die Genauigkeit der nachfolgenden Berechnungen negativ beeinflussen. Die Bilder werden lokal in der RSM verarbeitet und digital zu einem gerenderten 3D-Bild zusammengesetzt. Ein hochauflösendes Bild der Stirnfläche mit allen Stammquerschnitten und QR-Codes wird zur Dokumentation abgespeichert.
Schnell und genau
Seit der Installation der beiden RSM an den Checkpoints von ISO Limited sind schon fünf weitere Anlagen in Neuseeland in Betrieb genommen worden. Innerhalb von wenigen Monaten haben sie bereits mehrere Millionen m³ Rundholz vermessen. Der Zeitvorteil ist enorm: Benötigt ein Holzvermesser ca. 40 min pro Lkw-Ladung, vermisst eine RSM das gleiche Holzvolumen in drei bis viereinhalb Minuten, 24 Stunden am Tag, sieben Tage pro Woche. Gleichzeitig sind die Holzvermesser weniger Gefahren ausgesetzt und können in einer sichereren Umgebung tätig werden.
Auch die Genauigkeit steigt: Gegenüber den subjektiv beeinflussten Rundholz-Vermessungen der Log-scaler objektiviert die künstliche Intelligenz mit künstlichen neuronalen Netzen die Messung. Durch maschinelles Lernen bei der Messung mehrerer Millionen Stämme wurde die RSM trainiert. Insbesondere hat die Bilderkennungssoftware dabei gelernt, die Grenze zwischen Holz und Rinde sauber zu erkennen und nur den Holzquerschnitt zu erfassen. Mittlerweile liegt die Trefferquote bei 99,8 % aller Stämme. Mit anderen Worten würde lediglich an einem von 500 Stämmen die Querschnittfläche nicht korrekt erfasst. Verunreinigungen an den Stirnflächen toleriert die Software weitgehend, das heißt aus der 3D-Punktwolke eines Stammquerschnitts wird der korrekte Stammumriss ohne Rinde erzeugt. Da die RSM sich selbst permanent optimiert, kann man davon ausgehen, dass die Genauigkeit mit zunehmendem Stichprobenumfang noch steigen wird. Die Ansprüche liegen übrigens höher als bei händischer Vermessung: Die RSM berechnet Durchmesser auf ±2 mm genau.
Nutzwert
Die beschriebene Technologie eröffnet in der Rundholz-Vermessungspraxis neue Möglichkeiten: Minimierung der Unfallgefahr, Fehlerminimierung bei Maßen, Steigerung der Messleistung, Holzvolumenberechnung gemäß verschiedenster Standards (JAS, CNS, etc.). Besonders die Reduktion des Zeitaufwandes um etwa 90 % bei gleichzeitiger Verbesserung der Messgenauigkeit bringt in Zeiten knapper Personalkapazitäten ökonomische Vorteile mit sich.
Die Anwendbarkeit der beschriebenen Methode hierzulande hängt von mehreren Bedingungen ab. Die RSM ist darauf ausgelegt, den international weit verbreiteten Zopfdurchmesser als Eingangsparameter für die Volumenberechnung zu verwenden. Dafür müsste das Zopfmaß für die Abrechnung in Deutschland zugelassen werden bzw. von der Holzwirtschaft akzeptiert werden. Alternativ könnte das System auch den Mittendurchmesser näherungsweise ermitteln.